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Lachen

Letztens kam eine Freundin vorbei. Wir plauderten über dies und das, zum Beispiel fiel uns auf, wie verschieden doch die Leute lachen. Sie kichern, gackern, glucksen oder brüllen, prusten, wiehern, sie kringeln sich vor Lachen oder lachen sich tot. Manche quieken sogar.

Da musste ich an einen Nachmittag denken, an dem ich müde und lustlos mit der U‑Bahn heimfuhr. Im allgemeinen Trott lief ich der Meute hinterher die Treppe hoch, als ich jemanden weiter hinten lachen hörte. An sich ist das ja nun nichts Außergewöhnliches. Viele Leute lachen in der Öffentlichkeit. Sei es zaghaft oder schallend und ohne jede Hemmung oder einfach nur vulgär.

Das Lachen dieser Frau war laut und unüberhörbar, aber auffallend anders. Kein ansteckendes Lachen in dem Sinne, dass man hätte unwillkürlich mitlachen müssen, vielmehr war es äußerst sympathisch, ehrlich, anziehend, rein … Prompt zauberte es ein Grinsen auf mein Gesicht. Mein Trübsinn war im Nu verflogen. Es lag an der Wärme, die ihr Lachen in den doch eher kalten U‑Bahn‑Gängen ausstrahlte. Diesem Lachen aus voller Seele hätte ich stundenlang strahlend zuhören können.

Auf dem Absatz blieb ich stehen und wühlte grundlos in der Tasche. In Wahrheit wartete ich, bis das Lachen näher kam. Ich musste unbedingt ein Gesicht dazu haben, wissen, wem es gehörte. Es war eine junge, ganz normale Frau, die die Modewelt als „Plus-Size-Model“ klassifizieren würde. Ich mochte sie vom ersten Moment an.

Am liebsten wäre ich ihr gefolgt, um sie anzusprechen und ihr zu sagen, dass sie mit ihrer herzlichen Art meinen Nachmittag gerettet hatte. Denn wer so lacht, kann nur ein liebenswürdiger Mensch sein.

Adriana Netz ist Übersetzerin für Spanisch, Französisch, Deutsch. Ihre Fachgebiete sind Urkunden, Recht, Umwelt und Literatur. In ihrem Blog stellt sie sich und ihre Arbeit vor und greift Interessantes, Schönes, Nerviges und auch mal Skurriles über den Schreibtischrand hinaus auf.

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